Ich habe mich in den letzten Wochen viel mit der Frage beschäftigt, ob ich Kapstadt als sicher bezeichnen würde oder nicht. Der Hype um Kapstadt ist auch an meinem Freundeskreis nicht vorbeigegangen und da ich der „Kapstadt-Experte“ in meinem Umfeld bin, wurde ich natürlich häufiger gefragt, ob Kapstadt sicher sei. Meistens habe ich wahrscheinlich sehr allgemein geantwortet, dass man sich an Grundregeln halten muss, aber es tagsüber in touristischen Gebieten sehr sicher ist, weil die Polizei und genügend Sicherheitspersonal präsent ist. Vom abendlichen Spaziergang hätte ich allerdings wahrscheinlich eher abgeraten. Dazu muss ich sagen, dass es natürlich auch davon abhängt, vor welcher Art von Kriminalität Menschen Angst haben. Die Wahrscheinlichkeit erschossen zu werden, weil du zwischen die Fronten von zwei Gangs gerätst, ist in den touristischen Gebieten ausgeschlossen, aber der Diebstahl deines Handys ist umso wahrscheinlicher, wenn man nicht aufpasst. Mir persönlich ist tatsächlich noch nie etwas passiert und auch den allermeisten Touristen nicht. So unsicher scheint es also nicht zu sein?
Ich bin mit meiner Antwort, die ich Freunden gegeben habe, nicht unzufrieden. Wenn mich Menschen fragen, ob sie Urlaub in Kapstadt machen sollen und sie sich Sorgen wegen der Sicherheit machen, bin ich der Erste, der jeden ermuntert hinzufahren, weil ich diese Stadt und das Land liebe, auch wenn es unsicherer als in anderen Ländern. Mir ist bewusst, dass es viele sehr schöne und interessante Länder auf dieser Welt gibt, aber ich würde jedem einen wundervollen Urlaub garantieren, wenn sie nach Kapstadt fliegen, 5 Tage lang die mächtige Schönheit dieser Stadt inklusive der Weingebiete genießen und dann die Küste entlang der Garden Route fahren, um am Ende eine Safari irgendwo zu machen.
Die Frage nach der Sicherheit ist leider auch durch Beitritte zu Kapstadt Facebook Gruppen aufgekommen, aber auch durch das Folgen von Influencern oder digitalen Nomaden auf Tiktok, die mir erzählen wollen, wie sicher und cool Kapstadt ist, während sie am Dienstag Vormittag mit ausschließlich weißen Menschen zu Techno-Musik am Clifton Beach tanzen und absolut nichts von dieser Stadt mitbekommen.
Im Kampf um die dümmsten Beiträge zur Sicherheit von Kapstadt gewinnen aber erwartungsgemäß die Facebook Gruppen. Ich werfe den Influencern und digitalen Nomaden vieles vor, aber sie haben recht, dass es in den schicken, reichen, weißen Stadtteilen, in denen sie sich ausschließlich bewegen, sicher ist und da selbst ein abendlicher Spaziergang an der Promenade möglich ist. In Facebook Gruppen ist es leider genauso wie ich es erwartet habe, auch wenn ein paar wirklich gute Beiträge dabei sind, die ich sehr schätze. Ansonsten ist das allerdings kaum auszuhalten. Ich war mir länger nicht sicher, welche Menschen ich am schlimmsten finde: Menschen, die so viele Horrorgeschichten gehört haben, dass sie sich selbst in Camps Bay (sicherstes Viertel der Stadt) nicht sicher fühlen oder Menschen, die erzählen, dass sie sich angeblich noch nie unsicher in Kapstadt gefühlt haben und es der sicherste Fleck auf der Welt sei. Beide Meinungen sind absurd und unverständlich. Niemand braucht Angst in Camps Bay und den touristischen Gebieten zu haben! Dort können sich alle frei bewegen und ihren Urlaub genießen. Trotzdem kann ich mehr Verständnis für Menschen mit Ängsten aufbringen weil ich Hoffnung habe darauf positiv einwirken zu können.
Sie lügen alle an, indem sie behaupten, dass sie sich in Kapstadt noch nie unsicher gefühlt haben außer sie sind wirklich nur den ganzen Tag in ihrem Haus in Camps Bay hinter hohen Mauern und trinken Champagner am eigenen Pool. Hinter den hohen Mauern von Camps Bay ist nämlich tatsächlich der sicherste Fleck auf der Welt, aber will man das?
Ich gehe gerne zu Fuß, fahre Bus und Bahn und versuche das auch so viel wie möglich in Kapstadt zu machen, aber dann kommt es auch vor, dass ich mich nicht immer sicher fühle, sondern auch schon mal länger beim Sicherheitspersonal stehen geblieben bin oder mich in ein Cafe gesetzt habe. Wenn ich mich in Kapstadts Innenstadt und Umgebung bewege, kann ich mich schon frei bewegen und habe wenig Angst ausgeraubt zu werden. Trotzdem wäre ich unehrlich, wenn ich behaupten würde, dass ich mein Umfeld nicht besser beobachte als ich es in Deutschland mache. Spätestens wenn ich abends alleine nochmal zum Shop muss, um Zigaretten zu kaufen, sind meine Augen im Hinterkopf installiert. Es mag an mir persönlich liegen und ich möchte hiermit auch nicht ausschließen, dass ich der einzige Mensch bin, der sich etwas unfreier in Kapstadt bewegt als in Deutschland. Ich freue mich für alle Kapstadt Experten, dass sie sich angeblich so frei und sicher wie in Deutschland bewegen können. Dazu muss ich erzählen, dass es meistens die gleichen Menschen sind, die behaupten, Deutschland sei so unsicher geworden, weil stündlich Messerstechereien stattfinden würden.
Die Diskussion um die Sicherheit in Kapstadt zeigt mir immer wieder deutlich, wie wenig Menschen verstehen, dass Sicherheit ein Privileg der Reichen und Touristen bleibt. Wenn ich Freunden erzähle, dass Kapstadt sicher ist, dann ist es vor allem sicher, weil die Regierung sich mehr um die Sicherheit der Touristen sorgt als um die Sicherheit der Bewohner Kapstadts. Freunde von mir aus Lavender Hill würden sich freuen, wenn die Polizeipräsenz in ihrem Stadtteil höher wäre oder wenn die Polizei überhaupt vorbeikommen würde. Bisher drehte sich mein Beitrag auch nur um die Innenstadt und touristischen Gebiete. Es stimmt nicht, dass alle anderen Gebiete unsicher sind und man dort sofort ausgeraubt wird. Ich hatte zum Beispiel einen Beitrag zum Gatsby-Essen in Athlone oder Strandfontein gemacht. Beide gehören offiziell zu den Cape Flats, aber es ist sicher, mit dem Auto hinzufahren und dort einen Gatsby zu essen. Orte wie diese gibt es viele. Die Cape Flats sind mehr als ein Gebiet voller Kriminalität. Ich habe das Privileg, Freunde in den Cape Flats zu haben und somit Einblicke in ein anderes Kapstadt zu bekommen und mich auch in anderen Stadtteilen sicher zu fühlen. Manchmal empfinde ich die untouristischen Orte als sicherer und angenehmer, weil die Kriminellen lieber Jagd auf Handys in den touristischen Gebieten machen. Meine Privilegien haben aber die wenigsten und sind nicht selbstverständlich. Deswegen kann ich nicht empfehlen in den Cape Flats alleine spazieren zu gehen (außer meinen Kapstadt Experten aus den Facebook Gruppen). Trotzdem möchte ich noch dafür werben, dass Kapstadt mehr als die touristischen Gebiete ist und es auch außerhalb dieser Gebiete schöne, interessante Flecken gibt, die dann nicht der sicherste Fleck sind, aber dafür ein authentisches Kapstadt zeigen, das ich über die letzten Jahre gelernt habe zu lieben.
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