Da ich in vergangenen Beiträgen politische Parteien erwähnt habe und es auch deutlich geworden ist, welche Partei ich nicht mag (DA) und welche Partei ich mag (EFF), möchte ich an dieser Stelle die Parteienlandschaft Südafrikas vorstellen: Dazu kann ich an erster Stelle Darren Camphers Video für einen groben Überblick über die meisten politischen Parteien empfehlen. Darren war damals noch „neutraler“ politischer Beobachter, der besonders in den Wochen vor der Wahl im Mai 2024 auf Tiktok viral gegangen war. In seinem Video hat er eine Karte erstellt, auf der er die Parteien zwischen sozialistischem und kapitalistischem Programm einsortiert hat. Die Aufteilung ist relativ einfach gehalten, aber gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Parteien. Darren ist dabei nicht unbedingt neutral. Er erzählt nicht wen er gewählt hat, aber alles andere als die Economic Freedom Fighters (EFF) würde mich überraschen. Heute ist er übrigens kein „neutraler“ politischer Beobachter mehr, sondern ist politischer Berater der Umkhonto we sizwe Partei (MK).

Ich werde in diesem Beitrag nicht so viele Parteien vorstellen wie Darren, der die größten 10-12 Parteien auf seinem Strahl eingetragen hat. Bei der letzten Wahl 2024 haben nur vier Parteien über 5% der Stimmen erhalten und auf die werde ich mich konzentrieren: African National Congress (ANC), Democratic Alliance (DA), Umkhonto we siszwe (MK) und die Economic Freedom Fighter (EFF). Ins Parlament haben es trotzdem insgesamt 18 Parteien geschafft, weil Südafrika keine Prozenthürde wie wir hat.

ANC: Vom Widerstand zur Regierungspartei

Geschichte und Hintergründe
Der African National Congress (ANC) wurde 1912 als South African Native National Congress gegründet.1 Zunächst war der ANC eine elitäre Lobbygruppe, die sich für die Rechte der schwarzen Bevölkerung innerhalb des bestehenden Systems einsetzte. Mit der Machtübernahme der Nationalen Partei 1948 und der Einführung der Apartheid entwickelte sich der ANC zur wichtigsten Widerstandsbewegung gegen das rassistische System.
In den 1950er Jahren organisierte der ANC gemeinsam mit anderen Bevölkerungsgruppen den zivilen Ungehorsam und veröffentlichte 1955 die Freiheits-Charta, in der gleiche Rechte für alle Bürger unabhängig von ihrer Hautfarbe gefordert wurden. Nach dem Sharpeville-Massaker 19602 wurde der ANC verboten und kämpfte fortan aus dem Untergrund und dem Exil weiter. Die Gründung des bewaffneten Flügels Umkhonto we Sizwe (MK) unter Führung von Nelson Mandela markierte den Übergang zum militanten Widerstand.
Nach Jahrzehnten des Kampfes, internationalem Druck und inneren Reformen wurde der ANC 1990 wieder legalisiert und Nelson Mandela aus der Haft entlassen. 1994 gewann die Partei die ersten freien Wahlen und stellte mit Nelson Mandela den ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas. Seitdem regierte der ANC das Land ununterbrochen mit absoluter Mehrheit – bis zur Wahl 2024.

Wählerprofil
Die Wählerhochburgen des ANC sind in den Provinzen Limpopo, North West und dem Eastern Cape. Vor allem in Townships3, ländlichen Gebieten und in der urbanen Arbeiterklasse ist der ANC fest verwurzelt. Das Durchschnittsalter der Wähler ist gemischt, mit einem Übergewicht bei älteren Generationen, die der Partei wegen ihrer Rolle im Befreiungskampf treu bleiben. Viele ANC-Wähler kommen aus einkommensschwachen und mittleren Einkommensschichten. Die Partei spricht zudem traditionell eingestellte Wähler an, die Wert auf nationale Einheit und soziale Stabilität legen.

Inhaltliche Ausrichtung
Der ANC versteht sich als breite Bewegung für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und wirtschaftliche Teilhabe. Seine Grundsätze sind in der Freiheits-Charta verankert. Die Partei setzt sich für die Überwindung von Armut, Rassismus und Diskriminierung ein und ist Mitglied der Sozialistischen Internationale. Am ehesten vergleichbar ist sie mit der SPD in Deutschland. Die größte Gewerkschaft Südafrikas (COSATU) und auch die kommunistische Partei Südafrikas sind in einer Allianz mit dem ANC. Beide bilden zusammen mit der Jugendliga (Youth League) den linken sozialistischen Flügel der Partei. Auf der anderen Seite befindet sich Präsident Ramaphosa und der liberale, wirtschaftsfreundliche Flügel der Partei, der momentan das Machtzentrum der Partei beherrscht.

DA: Die liberale Kraft aus dem Western Cape

Geschichte und Hintergründe
Die Democratic Alliance (DA) entstand 2000 aus dem Zusammenschluss der Democratic Party (DP), der New National Party (NNP) und der Federal Alliance. Die Wurzeln der DA reichen bis in die Zeit des Widerstands gegen die Apartheid zurück: Ihre Vorläuferorganisationen wie die Progressive Party und die DP setzten sich bereits für ein allgemeines Wahlrecht und den gewaltfreien Widerstand gegen Rassentrennung ein. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die NNP die Nachfolgepartei des Apartheidsregime ist und auch Teil der DA ist. Seit der Gründung der DA hat sie sich zu einer modernen, liberalen Partei entwickelt und ist die größte Oppositionspartei Südafrikas. Seit 2009 regiert sie die Provinz Western Cape – die einzige der neun Provinzen, in der nicht der ANC an der Macht ist.

Wählerprofil
Die DA wird traditionell von weißen Südafrikanern und Coloureds4 (vor allem im Western Cape) gewählt. In den letzten Jahren versuchte sie zunehmend auch schwarze Wähler aus der urbanen Mittelschicht anzusprechen, aber bisher ohne signifikanten Erfolg. Ihre Wählerschaft hat meist ein mittleres bis höheres Einkommen, wobei sie auch sehr stark in den ärmeren Vierteln der Cape Flats5 in Kapstadt abschneidet. In Lavender Hill zum Beispiel hat sie bei der letzten Wahl 60% der Stimmen bekommen. Im Allgemeinen ist die DA besonders stark in großen Städten wie Kapstadt und Johannesburg. In Kapstadt stellt sie seit 2006 den Bürgermeister und in Johannesburg wird sie bei den Bürgermeisterwahlen im nächsten Jahr wieder einen neuen Versuch wagen.

Inhaltliche Ausrichtung
Die DA ist eine liberale Partei, die für Rechtsstaatlichkeit, individuelle Freiheitsrechte, eine unabhängige Justiz und den Schutz von Minderheiten eintritt. Sie setzt auf marktwirtschaftliche Prinzipien, Haushaltsdisziplin und Deregulierung, kombiniert mit Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung. Die Partei ist Mitglied der Liberalen Internationale und fordert Chancengleichheit, lehnt aber starre Quotenpolitik ab. Sie setzt auf Leistung und Eigenverantwortung und ist ein scharfer Kritiker des ANC, auch wenn die Überschneidungen mit dem wirtschaftsfreundliche Flügel des ANC um Präsident Ramaphosa zum Teil groß sind.

MK Party: Die neue Kraft aus KwaZulu-Natal

Geschichte und Hintergründe
Die uMkhonto we Sizwe Party (MK Party) wurde Ende 2023 von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründet und ist nach dem historischen bewaffneten Flügel des ANC benannt. Die Partei trat erstmals bei den Wahlen 2024 an und sorgte mit ihrem starken Abschneiden für eine Überraschung. Die MK Party profitiert von der Popularität Zumas und spricht vor allem enttäuschte ANC-Wähler an.

Wählerprofil
Die MK Party wird überwiegend von Menschen gewählt, die sich den Zulu6 zugehörig fühlen. Sie befinden sich vor allem in der Provinz KwaZulu-Natal und zum Teil auch in der Provinz Mpumalanga. Die Hochburgen der Partei liegen in ländlichen Regionen und unter älteren Wählern, die sich mit dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma verbunden fühlen, ist die Unterstützung für die Partei größer als unter jüngeren Wählern. Die Partei spricht traditionell eingestellte Wähler an, die Wert auf lokale Führung und soziale Gerechtigkeit legen.

Inhaltliche Ausrichtung
Die MK Party positioniert sich als linkspopulistisch und gesellschaftlich konservativ. Sie fordert soziale Gerechtigkeit, Landreform und die Stärkung traditioneller Werte. Die Partei profitiert von der Popularität Zumas und setzt auf eine starke persönliche Bindung an den ehemaligen Präsidenten. Sie kritisiert den ANC für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Korruption und spricht vor allem Wähler an, die sich vom ANC enttäuscht fühlen.

EFF: Radikale Stimme für wirtschaftliche Befreiung

Geschichte und Hintergründe
Die Economic Freedom Fighters (EFF) wurden 2013 von Julius Malema gegründet, nachdem er aus der ANC Youth League ausgeschlossen worden war.7 Die EFF ist eine radikale, linke Partei, die sich für wirtschaftliche Gerechtigkeit und die vollständige Befreiung der schwarzen Mehrheit von Armut und Ausbeutung einsetzt. Die Partei versteht sich als Stimme der Arbeiter und der Jugend.

Wählerprofil
Die EFF wird besonders viel von jungen, wirtschaftlich benachteiligten Menschen in Limpopo, North West und Gauteng gewählt. Ihre Hochburgen liegen in großen Städten wie Johannesburg und dort vor allem in Townships und Studentenvierteln. Eine Besonderheit ist Limpopo, die Heimatprovinz von EFF Präsident Julius Malema, in der die Partei auch in ländlichen Gebieten viel Unterstützung erhält. Die Partei spricht vor allem junge, enttäuschte Wähler an, die sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlen. Im Vergleich zu anderen Parteien ist auffällig, dass die EFF am meisten Stimmen von Studierenden und Akademikern bekommt.

Inhaltliche Ausrichtung
Die EFF fordert die Enteignung von Land ohne Entschädigung, die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung sowie höhere Sozialleistungen und Mindestlöhne. Sie kritisiert sowohl den ANC als auch die DA scharf für mangelnde soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Teilhabe. Die EFF sieht sich selbst als konsequente Umsetzerin der ursprünglichen Ziele der Freiheits-Charta, interpretiert diese aber deutlich radikaler als der ANC.

Wahl 2024

Die Parlamentswahlen 2024 markieren einen Wendepunkt in der südafrikanischen Politik: Der ANC verlor erstmals seit 1994 seine absolute Mehrheit und kam nur auf etwa 40% der Stimmen. Die DA konnte ihren Status als zweitstärkste Partei behaupten, auch wenn sie weiterhin deutlich hinter dem ANC zurückliegt. Sie erreichte etwa 21 % der Stimmen und gilt dennoch nicht als Gewinner der Wahl. Trotz massiver Verluste des ANC, konnte die DA nämlich nur 1% dazugewinnen. Es wurde sich vor der Wahl deutlich mehr erhofft. Der große Gewinner dieser Wahl war die MK Partei, die bei ihrer ersten Wahlteilnahme 14,6% der Stimmen bekam und direkt drittstärkste Kraft wurde. Die EFF hingegen erreichte nur 9,5% Stimmen, etwas mehr als 1% weniger als vor 5 Jahren. Ähnlich wie die DA hatte der EFF auch gehofft vom Stimmenverlust des ANC zu profitieren, aber musste am Ende feststellen, dass die MK Partei nicht nur dem ANC geschadet hat, sondern auch ihnen selbst. Der ANC blieb zwar stärkste Kraft, aber war zum ersten Mal gezwungen eine Koalition zu bilden: Die Wiedergeburt der Regierung der nationalen Einheit (Englisch: government of national unity: GNU). Schon im Jahr 1994 nach der ersten Wahl hatte der ANC, trotz absoluter Mehrheit, eine Regierung der nationalen Einheit mit der Nationalen Partei (Apartheitspartei) und anderen kleineren Parteien gebildet.8 Anders als vor 30 Jahren war diesmal der ANC gezwungen eine Koalition zu bilden. In Südafrika muss eine Regierung zwei Wochen nach der Wahl stehen und dementsprechend musste sich der ANC schnell für eine Koalition entscheiden. Dabei wurde schon am Wahlabend deutlich, dass das Machtzentrum der Partei um Ramaphosa lieber mit der DA koalieren wollte als mit der MK Partei oder der EFF, während der linke Flügel erwartungsgemäß eher zur EFF tendierte. Trotz der Präferenz für die DA traute sich der ANC nicht eine Koalition nur mit der DA einzugehen, weil auch Ramaphosa bewusst war, dass viele ANC Wähler Vorbehalte gegenüber der DA als weiße Partei und sogenannte Nach-Nachfolgepartei des Apartheidsregime haben. Deswegen entschied sich Ramaphosa, taktisch gut überlegt, für eine Regierung der nationalen Einheit (GNU) mit der DA und vielen anderen kleineren Parteien. Insgesamt 10 von 18 im Parlament vertretenen der Parteien sind nun Teil des GNU: ANC, DA, IFP, PA, FF+, GOOD, PAC, Rise Mzansi, UDM, Al Jama-ah.9 Es ist ein Mix aus rechten (DA, FF+, IFP, Al Jama-ah, PA) und sozialdemokratischen Parteien (ANC, Rise Mzansi, UDM, GOOD). Nur der PAC ist als einzige linke Partei dem Bündnis beigetreten. Zusammen halten sie 287 von 400 Sitzen im Parlament und haben somit eine entspannte Mehrheit.

  1. African National Congress – Wikipedia ↩︎
  2. Massaker von Sharpeville – Wikipedia ↩︎
  3. Township (Südliches Afrika) – Wikipedia ↩︎
  4. Coloureds – Wikipedia ↩︎
  5. Cape Flats – Wikipedia ↩︎
  6. Zulu (Ethnie) – Wikipedia ↩︎
  7. Economic Freedom Fighters – Wikipedia ↩︎
  8. South African Government of National Unity (GNU) – 1994 – 1999 | South African History Online ↩︎
  9. ANC WELCOMES POLITICAL PARTIES TO THE GOVERNMENT OF NATIONAL UNITY – ANC ↩︎