Quelle: WC-Gang-monitor.-No.1.-GI-TOC-October-2023.v3.pdf

Im Jahr 2023 hat die Global Initiative against transnational organized crime einen ersten Gang Monitor vorgelegt.1 2023 ist schon ein bisschen her und es hat sich seit dem auch etwas verändert. Trotzdem wollte ich mit dem ersten Bericht anfangen. Über 1000 Gang-bezogene Fälle haben sie dabei in den letzten drei Monaten beobachtet. Ihre Analyse basiert auf Interviews mit Gangstern, Ex-Gangstern, Community Leadern, Polizeibeamten und anderen Mitgliedern aus dem Justiz System.

Es wurden dabei 4 Erkenntnisse der letzten 3 Monate herausgestellt:

  1. In Hannover Park nehmen die Auseinandersetzungen zwischen den Americans, eine der größten Gangs in Kapstadt, und kleineren Abspaltungen der Americans zu.
  2. Die Fancy Boys versuchen die Kontrolle über immer mehr Gebiete zu gewinnen, vor allem in Manenberg und Mitchells Plain.
  3. PAGAD G-Force, eine bekannte Anti-Gang-Gruppe, ist in Hannover Park wieder auf der Straße aktiv.
  4. Junge Gangster gründen immer mehr Abspaltungen von etablierten Gangs

Die Auseinandersetzungen in Hanover Park sind vor allem zwischen den Dollar Kids und den Americans, weil ein American Gangster im Gebiet der Dollar Kids Heroin verkauft hat und deswegen erschossen wurde. Weitere Splittergruppen werden auch erwähnt: IGBs (In-Glorious Bastards), Junior Mafia, Spoilt Brats, Pittbulls and West Siders.

Während sich die Americans mit ihren eigenen Splittergruppen auseinandersetzen müssen, befinden sich die Fancy Boys auf der Mission ihr Gebiet möglichst schnell und aggressiv auszuweiten. Das ist vor allem möglich, weil sie viel Geld haben, um Waffen und Drogen zu kaufen. Mit dem Geld locken sie viele Gangster an, die unzufrieden in ihren Gangs sind. Dadurch wurden vor allem die Americans und Hard Livings in Manenberg geschwächt, aber auch die 28s und die Hard Livings in Mitchells Plain. Eine weitere Strategie der Fancy Boys ist es kleinere Gangs aufzunehmen. Dies ist wiederum auch nur möglich, weil sie mit viel Geld locken können. In dem Bericht steht, dass das Geld wohl von anderen Quellen außerhalb des Drogen und Waffengeschäft gekommen sein soll.

Die Fancy Boys auf Ausweitungsmission und viel Ärger im eigenen Haus hätten eigentlich schon gereicht für die Americans, aber nun scheint sich die Rückkehr von der PAGAD G-Force Gruppe anzukündigen, die auch nicht zu den Freunden der Americans gehören. Es ist nämlich der militante Flügel von PAGAD, People against Gangsterism and Drugs.2 PAGAD war in den 90er und Anfang der 20er Jahre aktiv und war zuständig für Morde an hochrangigen Gangstern und andere Bombenattentate auf Gangs. Sie wurden später als Terrororganisation eingestuft und vom Staat erfolgreich geschwächt. David Africa hat dazu ein sehr interessantes Buch geschrieben, das ich aber leider noch nicht gelesen habe.3 PAGAD ist eine muslimisch geprägte Gruppe, die heute noch friedliche Demonstrationen gegen Gangster, Drogen und Gewalt organisieren, aber sich von ihrem militanten Flügel abgrenzen wollen. In dem Bericht wird erzählt, dass die PAGAD G-Force vor Häuser von Gangstern und Drogendealern ziehen, um diese einzuschüchtern. Es gibt auch genügend Videos auf Tiktok, die zeigen, dass die Polizei häufiger Gangster vor der PAGAD G-Force schützen muss. Es bleibt abzuwarten, wie sich das weiter entwickelt. Die G-Force soll allerdings beim Erwerb von Waffen beobachtet worden sein. Ich kann es aus meinem Umfeld aus Lavender Hill zumindest erzählen, dass nicht wenige Menschen PAGAD (G-Force) unterstützen und sie wieder aktiver auf der Straße sehen wollen, auch weil kein Vertrauen in die Polizei vorhanden ist.

Die vierte und letzte Erkenntnis ist: Es gibt immer mehr Gangs, weil es zu immer mehr Abspaltungen kommt. Das soll vor allem daran liegen, dass Jüngere keine Lust oder keinen Respekt für Gang Hierarchien haben und deswegen eine Abspaltung gründen. Die berechtige Sorge besteht, dass dieser Trend zu noch mehr Schießereien und Gewalt führt. In Ottery hat eine Gruppe von 5 Minderjährigen (8-16jährige) einen Mord begangen. Sie gehören offiziell noch zu den Junky Funky Kids (JFK), aber die Leader distanzieren sich von dieser Gruppe, weil sie sich nicht mehr an die Befehle der Leader halten. Diese Gruppe ist in der Vergangenheit häufiger negativ aufgefallen und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein bis sie sich von den JFK abspalten wird.

Die 4 Erkenntnisse sind nur ein kleiner Teil der großen Veränderungen, die sich über die letzten Jahre entwickelt haben. Die Gangs haben sich zum Beispiel finanziell breiter aufgestellt und sich auch andere Einnahmequellen außerhalb des Drogenverkaufs gesucht. Dabei hat das Erpressen von Bauträgern bei Infrastrukturprojekten als beliebte Einnahmequelle erwiesen. Die Stadt hat daraufhin ein paar Projekte aufgrund von Erpressung pausieren müssen. Die Kontrolle über Taxi Unternehmen und deren Routen war schon länger eine Einnahmequelle, aber ist auch nochmal umkämpfter geworden.

Außerdem ist das verstärkte Rekrutieren von jüngeren Kindern auffällig. In der Corona Zeit waren die Schulen geschlossen und hat es den Gangs einfacher einfacher gemacht Kinder zu rekrutieren. Ein Grund für das verstärkte Rekrutieren sind, wie erwähnt, die vielen Abspaltungen von Gangs, die alle versuchen junge Kinder anzulocken, um schnell konkurrenzfähig zu den etablierten Gangs zu werden. Dabei wurden die Flakka Gang Kids in Lavender Hill (Eine Abspaltung der JFK) und die Dollar Kids (Abspaltung der Americans) hervorgehoben.

Eine weitere besorgniserregende Entwicklung ist, dass Gangs verstärkt Kinder unter 14 Jahren ihre Schießereien austragen lassen, weil diese dann aufgrund ihres jungen Alters nicht verurteilt werden können. Geholfen hat in diesem Zusammenhang sicherlich, dass es immer mehr Waffen in Kapstadt gibt, auch weil einzelne Polizisten in der jüngeren Vergangenheit viele Waffen an Gangs verkauft haben. Mark Shaw beschreibt eindrucksvoll in seinem Buch „Give us more Guns – How South African gangs were armed“4 wie der Polizist Prinsloo5 erwiesenermaßen über 2000 Waffen an Gangs verkauft hat. Shaws Recherchen zufolge liegt die Anzahl an verkauften Waffen deutlich höher. Prinsloo ist ein bekannter Fall, aber es wird deutlich mehr Polizisten geben, die Waffen verkaufen. Wenn die Polizei berichtet, dass sie Waffen sichergestellt haben, wird häufig darüber gewitzelt, wie viele Waffen sie während des Einsatzes „verloren“ haben. Verlorene Waffen der Polizei werden nämlich im Vergleich zu verloren gemeldeten Waffen von Privatpersonen überhaupt nicht wieder gefunden. Nur in 3% der Fälle wird die verlorene Waffe der Polizei wieder gefunden. Es ist kein Wunder, dass das Vertrauen in die Polizei in Gang geprägten Stadtteilen wie Lavender Hill so gering ist. Shaws Buch zeigt deutlich, dass die Polizei hauptverantwortlich für die vielen Waffen in den Händen der Gangs sind. Vor 15 Jahren gab es im Vergleich kaum Waffen. Shaw erzählt, dass die wenigen Waffen für die Gangs sehr wertvoll waren und nur wenige Gangster sie tragen durften und es wichtig war die Waffe nicht zu verlieren, sondern sie nach jedem Gebrauch auch wieder zurück zu bringen. Heute muss kein Gangster aufpassen, dass er seine Waffe nicht verliert, weil es viel zu viele gibt und sie leicht zu bekommen sind.

Die Erkenntnis, dass es immer mehr Gangs gibt, ist auch der Entwicklung geschuldet, dass viele Gang Leader über die letzten Jahre erschossen wurden und meistens auch von der eigenen Gang. Jeder Tod eines Leaders hinterlässt einen Lücke und wenn er von der eigenen Gang ermordet wurde, gibt es meistens zwei Fraktionen in einer Gang, die anscheinend immer häufiger zu einer Abspaltung führen. Abspaltungen machen die Stadtteile noch gefährlicher weil es zu noch mehr Kämpfen um Gebiete führt und zu noch mehr Kindern, die sich neu in der Gang beweisen wollen und unkontrolliert Schießereien anfangen. Früher gab es zwei große Gangs (Americans und Hard Livings), die sich die Gebiete klar aufgeteilt haben. Der einfache Zugang zu Waffen hat auch dazu beigetragen, dass sich einzelne Gruppe ermutigt gefühlt haben, eigene Gangs zu gründen. Die Justiz ist leider vollkommen überlastet. Nur die wenigsten Gangster werden verhaftet und landen im Gefängnis, auch weil viele Zeugen eingeschüchtert werden oder meistens keine Zeugen gefunden werden, weil niemand der Polizei vertraut. Das Misstrauen ist zugegebenermaßen leider berechtigt, denn im Jahr 2022 warnte das oberste Gericht im Western Cape davor, dass die höchsten Stellen im Polizeisystem von Gangs infiltriert sind.6

Insgesamt sind die Entwicklungen im Gang Report 2023 nicht hoffnungsvoll. Der Bericht von 2024 ist auch schon veröffentlicht worden, aber wartet noch darauf von mir genau gelesen zu werden.

  1. WC-Gang-monitor.-No.1.-GI-TOC-October-2023.pdf ↩︎
  2. Takedown of Pagad, terror group destabilising SA’s new democracy ↩︎
  3. Lives on the line – African Perspectives ↩︎
  4. Give Us More Guns: How South Africa’s Gangs were Armed by Mark Shaw | Goodreads ↩︎
  5. Prinsloo Guns Website | ↩︎
  6. 28s gang infiltrated Western Cape cop management, prosecutors’ lives at risk – judge sounds corruption alarm ↩︎